Norwegen Kreuzfahrt

Tag 1 Einschiffung

„Ich wünsche euch viiiel Erholung, macht euch keine Sorgen, ich krieg das schon hin. Ich hab euch lieb.“, die Facebookeintragung von unserer Katzenpflegemutter Nicki ist durchaus ehrlich, doch sie kann noch nicht wissen, dass die Erholung erst mal mit Stress beginnt, weil der Bus am Samstag nicht um 5:30 Uhr erscheint. So warten wir ungefähr eine halbe Stunde, indem meine beginnende Erholung und Laune auf den Nullpunkt sinkt. Man hat uns vergessen und ich sehe mich schon jammernd auf Balkonien den Rest des Urlaubs verbringen. Gott sei Dank erscheint ein Bus unserer Reisegesellschaft, der zwar nicht uns transportiert, aber dessen Reiseleiter sich um uns kümmert. Dann geht alles sehr schnell. Ein Taxi wird geordert, das uns 30 km weiter zum wartenden Bus transportiert. Unsere Unterlagen hatten die falsche Zeit. Die Reiseleiterin war aus irgendeinem Grunde heilfroh uns doch im Bus zu haben. Irgendwie hatten wir nicht nur fehlerhafte Unterlagen, sondern die Reiseleitung auch falsche Telefonnummern von uns. So begann die Reise mit einer kleinen Aufregung und unsere Nicki hatte recht, die Erholung konnte beginnen. Wir sitzen im Bus, die Sonne scheint, es geht nach Warnemünde zur Costa Fortuna und dann in die Norwegischen Fjorde. Erholung pur, Nicki wir haben dich auch lieb und unsere beiden Kater hoffentlich auch. Ich bin zufrieden, höre Pink Floyd und schalte ab. Klack. Ich denke an nichts mehr…

Um 11:00 Uhr kommen wir in Warnemünde an, viel zu früh, um 13:00 Uhr beginnt die Einschiffung. Wir beschließen uns ein bisschen in der Stadt umzusehen, was gar nicht so einfach ist mit dem Handgepäck. Es lässt sich nicht schultern, beinhaltet meine Technik und ist sauschwer. Einen Ablageplatz finden wir nicht und so muss ich den ganzen Spaß schleppen, was meiner Laune abträglich ist. Also versuchen wir erst einmal den essbaren und trinkbaren Inhalt zu reduzieren, haben aber nicht den rechten Hunger. Meine Fotokamera hat dafür umso mehr Hunger und ich bin schon auf der Jagd nach Motiven für meinen Reisebericht. Eine Punkmusikergruppe stellt ein anachronistisches Detail inmitten der doch maritimen Umgebung dar. Überhaupt laufen hier viele Typen aus der Szene herum, deren Outfit interessant, aber irgendwie abgerissen wirken. Mir fällt eine Frau auf mit Kind an der Hand und Mann dazu, eigentlich nichts Besonderes, wenn nicht ihr T-Shirt wäre. „Gesocks und Assi aus…“, wohl ihr Heimatdorf . Die Kleidung ist dunkelschwarz bis blau, die Haare seltsam bunt und der Mann hat eine Seite seiner Haare vollkommen geschert, und wirft die überdimensionale Strähne des Scheitels nach hinten. An ihnen wirkt alles ein wenig lächerlich, sie scheinen aber doch irgendwie glücklich zu sein. Der Kanal hinter dem Bahnhof, ist voll gedrängt mit Fressbuden jeder Art und an den Piers hängen alte Schiffe in den Tauen. Das gibt viele Motive. Nach den verschiedenen Fotoshootings zu Hause mit Mädels eine willkommene Abwechslung. Ich fotografiere gern Menschen auch in sogenannten Alltagsposen. Besonders interessieren mich ungewöhnliche Bilder, aber dafür muss auch ich erst ein Auge entwickeln. Wir haben die Innenstadt bald abgelaufen, meine Schulter schmerzt, die Tasche scheint noch ein wenig schwerer geworden. Die Einschiffung geht dann aber überraschend schnell und sogar unsere Koffer sind schon auf der Kabine. Das Schiff ist riesig, 26 Hausstockwerke (11 Schiffsstockwerke) hoch und mit unendlich vielen Räumen. Die Ausstattung ist solide und geschmackvoll, dem Ambiente der früheren Weltumsegler  und berühmter Maler angepasst. So heißen denn auch die beiden großen Restaurants Michelangelo und Raffaelo mit entsprechenden Fresken an den Decken. Die Kabinen sind halt so groß wie wir es gewöhnt sind; man findet seinen Platz, für Gymnastik reicht es nur bedingt. Beeindruckend ist die große Lounge in der Mitte des Schiffes an deren Seiten drei große Fahrstühle mit durchsichtigen Kabinen hochlaufen. Die Höhe ist schwindelerregend, durch die vielen verschwenderischen Lichter ergibt der Saal ein großartiges Ambiente. Die Bar ist denn auch zentraler Bestandteil des Rondells. Noch beeindruckender aber ist die Einkaufsmeile, an deren Decke die gesamte Flotte der Costa als Modell hängen. Über gewundene prunkvolle Treppen gelangt man von einer Etage zu anderen. Wir brauchen eine Weile, um die auf den ersten Blick komplizierte Struktur des Schiffes zu begreifen, aber auf den zweiten Blick und mit dem Hintergrund der fünften Seereise gelingt uns das nach einigem Hin und Her ganz gut. Wir sind zufrieden und ich habe schon einige Ecken für meine Schreiberei ausgeguckt.

Zum Abendbrot bekommen wir einen Tisch mit unserer Reisegruppe. Leider sind die uns zugeordneten Leute nicht nur alt, sondern auch mundfaul. Endlich aber kommt noch ein Ehepaar, die mitteilungsbedürftiger sind und schon bald haben wir ein gemeinsames Thema; Katzen. Na bitte, geht doch. Ich sehe meine Katzenpflegemutter zu Hause auf dem Boden krauchen auf der Suche nach unserem ängstlichen schwarzen Katers und muss unwillkürlich über das Bild lachen.

Der Tag war doch sehr stressig und so fallen wir schon um 21:00 Uhr ins Bett und schlafen sofort ein.

2. Tag – Kopenhagen

Kopenhagen hat sich einen Wolkenmantel umgehangen und wir stehen schon früh an der Reling um die Ankunft zu filmen. Im Frühstücksraum ist ein riesen Auflauf, heute sind Ausflüge nach und um Kopenhagen auf dem Programm. Wir selbst haben uns vorgenommen die Stadt auf eigene Faust zu erkunden, da wir schon mal eine Führung auf der Fahrt nach Petersburg mit machten. Doch noch hängen wir unseren Gedanken beim Frühstück nach und ich lausche dem Stimmengewirr, dem ich einige Fetzen entnehme. „Gott sei Dank, das Schiff schaukelt nicht…“, „Du musst nicht dauernd einen Drink bestellen, der ist teuer…“, „Die Kellner können kein Deutsch, das kann ich nicht leiden…“, „Walter, kannst du mal einen Kuchen für mich holen, ja und die Gabel ist nicht sauber, ich brauch eine Neue und vielleicht etwas Wasser, ein Brötchen wäre noch schön…“ Walter stoppte bei jedem Befehl und nickte, ich sah ihn nie wieder, wir waren eher fertig.

Ein Shuttlebus, der mit 20 Euro zu Buche schlug und von uns erst nach längerem Suchen gefunden wurde (und dass nur dank unserer Englischkenntnisse) brachte uns in die Innenstadt von Kopenhagen zu einem Platz, der von Kanälen durchzogen war. Wir hatten kein Geld umgetauscht, wollten nichts essen, sondern begaben uns auf Fototour. Auffallend sind die alten hanseatischen Häuser, die unendlich vielen Fahrräder und die roten Briefkästen. Mit Hilfe eines Stadtplanes und unserem Navigator machten wir eine Sight Seeing Runde, besuchten die Amalienburg, den Botanischen Garten und einen anderen niedlichen Park in dem einige Obdachlose schliefen. Dort hatte eine Gruppe Jugendlicher eine fahrbare Musikstation aus der laut Technoklänge klangen. Ich konnte nicht anders und tanzte ein paar Rhythmen mit, sehr zur Belustigung der Gruppe die mir mit zuwinkten. Manchmal ist man doch jünger als man denkt. Was wussten sie auch schon von meiner Discozeit, wo ich stundenlang auf dem Tanzboden stand, damals mit längeren Haaren und ohne Bauch.
Die Bilder knipsten sich von selbst, da die Stadt genug Motive bot. Nach zweieinhalb Stunden waren wir fuß lahm und nahmen den Shuttle zurück, um nach einem ausgiebigen Mittagessen die Kabine aufzusuchen und einen Mittagsschlaf zu halten.

Nach der Ruhepause beschloss ich die Bibliothek aufzusuchen und meinen Reisebericht zu schreiben. Obwohl der Raum sehr schön ausgestattet war, mit Globus und anderen maritimen Dingen, bot sich sehr zum Bedauern von meiner Frau kein Ausblick auf die See bzw. den Hafen. Also suchten wir einen anderen Platz, den wir auch sehr schnell fanden. Kaum ein Mensch war dort zu sehen und das bei über dreitausend Menschen an Bord. Ich startete meinen Computer, der sich gleich darauf beschwerte, dass seine Batterie zu schwach war und zack fuhr er schon herunter. Welch eine Pleite, ich war stocksauer. Schlussendlich musste ich lesen, hörte dazu Musik von Pink Floyd (endlich kam ich nach über 20 Jahren wieder mal dazu), was meine Laune allmählich besserte. Meine Frau atmete deutlich auf, sie wusste wie anstrengend ich sein konnte, wenn etwas nicht klappte, was ich plante. 200 Seiten und eine Latte Macchiato später war Abendbrotszeit, die Zeit ging schnell herum und das Schiff war ruhig wie nie. Obwohl es erst der zweite Tag an Bord war, tauschten wir schon mit der Familie Fotos aus. Die Frau fand unsere Katzen ganz entzückend, der Mann war eher an der Konsistenz seines Essens interessiert. Ausklang des Abends war eine Show im dreistöckigen Rex Theater. Musikalisch und in sehr schönen Kostümen durchstreiften die Sänger und Tänzer die Jahrhunderte, von den Tieren der Savanne bis zur Biedermeierzeit. Es gab es seichte Melodien und schöne Frauen, Ablenkung pur. Müde fielen wir ins Bett, nach dem ich noch ein paar Nachtaufnahmen vom Schiff geschossen hatte. Ich dachte kurz an meine Katzen und ihre beiden Pflegeeltern, die eine 76 Jahre, die andere 16, die eine die Pflege gewohnt, die andere gewissermaßen Azubi, beide gute Freundinnen von uns. Gute Nacht Kater Marlowe, Gute Nacht Kater Milow, Gute Nacht Nicki, Gute Nacht Christa, Gute Nacht Sylvia und Klack, ich dachte an nichts mehr…

3. Tag – Tag auf See

Eigentlich könnten wir ausschlafen, es ist ein Tag auf See. Aber Sylvia hat genug vom Frühstücksrummel und möchte sich lieber bedienen lassen, als inmitten einer ständig plappernden Menge am Buffet zu stehen. Ich bedaure es ein wenig, beobachte ich doch zu gern die Menschen um mich herum, aber eigentlich nervt mich das Gewusel doch ein wenig. Im Restaurant dann, das um 7:00 Uhr öffnet (deswegen das frühe Aufstehen), ist die Atmosphäre ruhig und das Ambiente um einiges besser. Für einen Moment scheint es mehr Kellner zu geben als Gäste, allmählich füllt es sich ohne Hektik. Das ich morgens nur Milch trinke, ist für die Kellner etwas verwirrend. Irgendwie können sie nicht glauben, dass es solch männlichen Exoten gibt. Nachdem ich mit Nachdruck im besten Englisch meine Milch einforderte und kurz nach dem ersten Glas ein zweites bestelle, bekomme ich vom entnervten Kellner nach der dritten Bestellung prompt gleich 3 Gläser. Na bitte geht doch. Die Aussicht auf das Meer und ein Frühstück mit Ei und Schinken; wie viel mehr an Entspannung gibt es noch? Den Tag zu verbringen an Bord eines riesigen Luxusdampfers ist gar nicht so schwer, wenn man weiß, was man will. Nach dem Frühstück ging es in den elften Stock auf eine Sonnenliege. Es war frisch, aber mit zwei Decken und einem blauen Himmel ließ es sich gemütlich liegen. Das kurz darauf Musik ertönte, mochte ja noch gehen, aber als die Animateure anfingen ihren Gymnastikwahnsinn an den Mann zu bringen war für mich genug. Sylvia blieb an Deck und ich brachte mich und meinen Bauch in Sicherheit. Wir beschlossen beide uns eine ruhige Stelle zu suchen und den Reisebericht zu schreiben, außerdem hatte ich noch ein paar Geschichten offen und wollte noch das Drehbuch für unseren Filmdreh in der Salineausstellung in Halle schreiben. Ich hatte also genug zu tun!

„Can I get one Cappuccino?“, fragte ich den Kellner, gab ihm meine Bordkarte und nach einer Belastung derselben von 2,50 € und der Servicegebühr von 15% (0,38 €) erhielt ich das Glas umgehend. Die zusätzlichen Servicegebühr auf alle Getränke war mir neu und ich hielt sie für eine überdimensionierte Abzocke. Jeden Tag wurden uns schon 14 € Servicegebühr (früher Trinkgeld) ganz selbstverständlich abgezogen, und jetzt noch auf die Getränke, ein Bier kostet so schon 4,75 €, ein Drink in der Regel 6,75 € zuzüglich der piratenen Servicegebühr. Trotzdem schmeckte der Cappuccino und ich schrieb an meiner erotischen Geschichte, eine Geschichte, die ich wieder keinem vorlegen kann. Wenn du keinen Namen hast und einen riesigen Roman mit mindestens 10 Seiten Erotik schreibst, ist alles was du in dieser Richtung fabrizierst Schweinerei. Selbst die Aktfotos meiner Modelle treffen auf Unverständnis, oh was der alles sieht, hat er wohl, hat er nicht, muss das sein, was sagt die Frau dazu. Ich habe ein unverspanntes Verhältnis zur Erotik und zur Nacktheit, die heißt Ästhetik und wenn meine Bilder sogar Frauen erreichen, scheine ich etwas richtig zu machen. Und übrigens, nein er hat niemals und würde es auch nie tun, denn das wäre das Gegenteil von der Ästhetik. Die erotische Geschichte ist die von einem Mann, der eine Begegnung der besonderen Art in einer Kneipe hat, wobei es gar nicht um Körperlichkeit, sondern um Sprache und Fantasie geht. Feuchtgebiete im Kopf, wobei das Ende der Geschichte doch etwas Seltsames an sich hat.

So sitze ich an einem großen Tisch schreibe meine Texte, erfreue mich an der ruhigen See, der Horizont ist mit riesigen Wolkenbänken bedeckt, man erkennt schwach das Land – Norwegen. Über uns ist blauer Himmel, in den Ohren die harten Rhythmen eines Hardrocktitels so gar nicht passend „Sabbath Bloody Sabbath“. Ich bin zufrieden, stell die Schreiberei ein, schau auf die See, lege die Beine hoch und träume vor mich hin. Schön ist das Leben.

Irgendwann ist Mittagszeit. Im Restaurant ist ein Ehepaar, dass schon verschiedenen Kreuzfahrten machte. Wir schwelgen in Erinnerungen und Erlebnisse. Irgendwann erfahren sie von meinen Lehrerdasein und scheinen von meinen Ansichten über das Schulsystem nicht unbedingt begeistert zu sein. Außerdem ist ihnen ein Lehrer, dem sein Job gefällt, noch nicht untergekommen. Das Gespräch hängt sich auf, in der Computersprache gesprochen. Ich freue mich mal wieder provoziert zu haben und bedaure nichts. Es ist eh Zeit ein Mittagsschläfchen zu machen, meine Seele beruhigt sich, ich denk nicht mal an die Katzen.

Eine Lautsprecheransage, die zum Bingo in alle möglichen Sprachen aufruft, weckt uns; Kaffeezeit und ein Schock. Meine Servicekarte, das wichtigste Dokument an Bord, ist weg. Wecker geht es nicht. Wir stellen das Zimmer auf den Kopf, überlegen die letzten Minuten und rechnen die Euros hoch, die uns ein Ersatz kostet. Nach dem Mittag haben wir noch Szenen für meinen Film „Ich habe keinen Bock“ gedreht, die ich dann als Schnitte später in den Film einfüge. Unter anderem bin ich den Gang vor unsere Tür gut hundert Meter gesprintet und vermute dort die Karte verloren zu haben. Über den Fernseher kontrollieren wir, ob eine unrechtmäßige Buchung in den letzten zwei Stunden vorgenommen wurde. Gott sei Dank, es ist nicht der Fall. Dann also auf zur Rezeption und hoffen, dass die ganze Sache nicht zu teuer wird. Der Stewart an der Rezeption macht ein ernstes Gesicht und sagt in Englisch: „Dann müssen sie leider im nächsten Hafen von Bord gehen.“ Ich bin fassungslos, Sylvia hat kein Wort verstanden. Mein Gesichtsausdruck muss so blöde gewesen sein, dass er lächelnd hinzufügt: „This was a joke.”Kein Problem Sir, wir sperren die alte Karte und sie bekommen eine neue Karte. Das kostet hundert Euro.“ Mir fällt zum zweiten Mal die Kinnlade runter und meine Frau hat immer noch nicht alles verstanden. „Das war auch ein Spaß.“ Der Jokeman versteht es, einem das Herz stehenbleiben zu lassen. Von so viel Spaß noch ganz hin und weggerissen suche ich mir einen Platz zum Schreiben. Zuvor kommen wir am Kaffestand vorbei, der eigentlich eine lange Theke mit Kuchen, harten Brötchen, Tee und Kaffee ist, wo Menschenmassen hin- und her wogen. Da ist mehr Wellengang als mir lieb ist. Ich schnapp mir meine Milch und halte Ausschau nach einem ruhigeren Plätzchen. Dabei fällt mir ein schmaler Mann auf, der abrupt mitten im Weg abbiegt. Der weiß was. Tatsächlich sein Weg führt eine Treppe hoch, die kaum einer sieht und wir befinden uns ein Stockwerk höher und hier sind kaum Leute vorhanden. Ein idealer Platz zum Schreiben…

Eine Stunde später drängelt meine Frau. Kapitänsempfang. Wir müssen runter ins 2. Stockwerk, ca. 250 m den Gang entlanglaufen, uns in Schale schmeißen, heute ist Gala, und wenig später stehen wir im Theater Rex mit unserem Begrüßungssekt. Auf das Foto mit dem Kapitän haben wir verzichtet, wurden aber auf dem Weg zum Theater von einer Fotografin fast genötigt Modell zu stehen. Sonst geb ich das Kommando bei meinen Modellen, aber hier bog uns die Fotografin wie eine Knetpuppe in alle Richtungen. Ich machte mir einen Spaß daraus, mich immer wieder anders hinzustellen, die Posen zu übertreiben, aber sie war geduldig und belächelte permanent meine Späße. Im Theater begann die Show. Der Kapitän ein junger Mann, unrasiert, sprach die Gäste in allen Sprachen an, stellte sein Crew vor, erhob das Glas und war kurz darauf verschwunden. Da hatte das Anziehen und der Weg länger gedauert. Na, immerhin hat jeder von uns zwei Gläser Sekt abgefasst. Ein kleiner Blick über die Reling und schon geht es ab zum Abendbrot. Das fällt für mich eher spartanisch aus. Ich bin schlicht voll, eine Vorspeise und den Hauptgang Ente. Zu mehr kann ich mich nicht überreden, wobei der Hauptgang später kaum von mir angerührt wird. Genug ist genug. Durch unser gekauftes Getränkepaket müssen wir jeden Tag eine Flasche Wein und ein Wasser kaufen, damit es sich rechnet. Das Bier ist ein für mich ungenießbares Pils, was andere nicht davon abhält, das Mehrfache zu trinken. Ich habe die Nase voll und will nur noch ruhen. Es ist gerade 20:00 Uhr. Ich werde alt. Sylvia geht allein zur Show, ich sehe mir einen Film an „Der Vorleser“, der mich gefangen hält und tief beeindruckt. Es ist zwar blöd und ein wenig exotisch auf einer Kreuzfahrt einen Film so früh auf der Kabine zu gucken, wo das Schiff noch vor Aktivitäten bebt, aber dieser Film belohnt mich reichlich, auch wenn er schwer verdaulich ist.
Sylvia kommt bald darauf und wir beide machen uns Bett fertig. Gute Nacht Marlowe, Gute Nacht Milow, gute Nacht Christa und Nicki, gute Nacht Sylvia, gute Nacht Micha und Klack, mich nimmt die Nacht gefangen.

4. Tag – Flam

Flam (gesprochen Flom) ist ein winziges Dörfchen inmitten norwegischer Fjorde mit gerade mal ca. 300 Einwohner und 700.000 Touristen im Jahr.  Trotzdem hat es einen beeindruckenden Hafen, an dem sogar unser Riesenpott die Costa Fortuna anlegen kann. Immerhin ist es das größte Schiff der 26 Schiffe umfassenden Costa Flotte. Es nimmt sich von außen wie ein gigantischer Fremdkörper inmitten des Dörfchens aus. Doch noch sind wir auf dem obersten 12. Deck und schauen hinunter auf ein kleines in Holz gebautes Hotel. Auf dem Balkon steht ein Ehepaar und schaut, die Köpfe tief im Genick zu uns hoch. Ich kann ihre Gesichter nicht erkennen und würde gern wissen was sie jetzt denken. Zu tiefgreifenden Gedanken habe ich keine Zeit, das Klicken der Kameras ruft auch mich auf den Plan und so tue ich, was jeder Kameraträger macht, knipsen was das Zeug hält in der Hoffnung dieser wunderschöne Augenblick, diese atemberaubende Umgebung von himmelwärts strebenden Felsen prägt sich tief ein und hallt noch eine Weile nach. Dann hat man ja seine Fotos; Weiß du noch…“, „Guck mal da, was ist das eigentlich…“, „Wo war das noch gleich…“ Ich seh schon den Krückstock in der Hand….

Unser erster Ausflug beginnt gleich nach dem Frühstück. Er ist mit 69,- Euro der billigste und für uns der interessanteste, da wir durch die Fjorde geschifft werden. Ausflüge für 134,- Euro und sogar Buchungen für über 390,- Euro für Individualreisen sind auch dabei. Natürlich kann man auch ohne Ausflug vom Schiff, aber Flam ist sehr überschaubar und reicht für 30 Minuten Laufzeit. Wir werden in Busse verladen und unser Reiseleiter klärt uns in der anschließenden Dreiviertelstunde Fahrt über die Geschichte Norwegens und seine Wirtschaft hinreichend auf. Endlich verstehe ich auch warum Norwegen nicht in die EU ging. Öl ist ihr dominanter Wirtschaftsfaktor, ein Rohstoff der sogar die astronomischen Alkoholpreise (Bier 10,- Euro, Wein ab 70,- Euro in der Gaststätte) diktiert, weil diese Industrie die Arbeitslöhne abnorm nach oben treibt. Es ist sogar die Wirtschaft nach einem Ausbluten der Ölfelder für eine gewisse Zeit durch ein Konsortium abgesichert. Beeindruckend dieses in die Zukunft denken, die Politiker Deutschlands sollte eine Zwangspraktikum hier machen, vor allem im Bildungssystem, wo Norwegen am meisten von der DDR-Bildung profitiert und die Rosinen einfach kopierte und weiterentwickelte. Gut, ich habe Urlaub und solche Gedanken sind eher hinderlich für die gesuchte innere Ruhe, aber der Reiseleiter lenkte die Gedanken dorthin, bis wir in Stalheim ankamen. Ein malerisches Fleckchen mit einem Hotel hoch oben auf dem Berg lies einen wahnsinnigen Blick in das Tal der Fjorde frei. Mit einem Tee atmeten wir tief durch, blinzelten in die Sonne und ließen die Seele baumeln. Im Souvenirshop dachte ich an unseren Hausmeister an meiner Schule und kaufte ihm einen Flaschenöffner, soviel Zeit muss sein. Ich gab eine 10 Euro Schein hin, bekam 25 Kronen wieder und Sylvia quittierte dieses Geschäft mit einem langen Vortrag, warum ich denn nicht auf sie gewartet hätte, sie hätte Kleingeld, wir bräuchten doch die Kronen nicht, warum ich nicht nachdenke…usw. Ich konnte all ihrem, wenn und aber, hätte und sollen nicht so recht folgen, weil es mir schlichtweg egal war. Froh im Bus zu sein und das Thema erst mal erledigt zu haben, sahen wir uns plötzlich steilen Serpentinen entgegen. 18% Gefälle und die Gäste im hintersten Teil waren 2,50m höher als wir ganz vorne. Hautnah sahen wir uns den schroff abfallenden Hängen entgegen, der Bus schlich an den äußersten Kanten zu Thale, sodass schon Teile davon über den Abgrund lugten. Der Reiseleiter versicherte uns das Busse (so hieß der schwedische Fahrer wirklich) nach diesem bestandenen Test die Fahrerlaubnis bekommen würde. Haha, sehr lustig. Nach der zwölften Kurve und kurzem Stopp an zwei regenbogenverzierten Wasserfällen, wo die Kameras rechts und links einfach ausgetauscht wurden, weil wir den Bus nicht verlassen konnten, waren wir heil unten und konnte kurze Zeit später einschiffen. Ein kleiner Katamaran steuerte uns durch die Fjorde, die irgendwer mit denen der Donaudurchfahrt am Eisernen Vorhang verglich. Gewiss konnte man auf den ersten Blick darauf kommen, doch diese Berge waren anders, die Fjorde breiter, von der Felsen rannen unendlich viele Rinnsale, manchmal auch breite Wasserfälle herunter. Das kleinste Dorf war ein einzelnes Haus, was nur durch eine Leiter erklommen werden konnte. 40 Jahre dauerte seine Fertigstellung und stand da, wo nicht mal Gott sich sein Domizil erbaut hätte. Andere Dörfer wurden nur im Sommer bewohnt und konnten auch nur mittels Trampelpfades besucht werden. Was bewegt Menschen zu dieser einsamen Einsamkeit?

Zwei Stunden später hatten sich unsere Augen an diese Naturpracht gewöhnt, manchmal gab es Robbe- und Schweinswalalarm, indes ich konnte keines der Tiere erblicken. Im Schiffsraum saßen tatsächlich Menschen, die die gesamte Fahrt verschliefen. Diese Ignoranz machte mich fassungslos. Ich geb doch nicht so viel Geld aus, um die schönsten Momente zu verschlafen. In der Ferne tauchte die Costa auf, riesiger Stachel im Fleische der Natur und gerade deshalb besonders beeindruckend. Ein paar Fotomomente später waren wir an Land und klapperten die Souvenirläden ab und ich lenkte Sylvia auf einen putzigen Troll; „Für unseren Balkon, kostet nur 25 Kronen.“ „Oh ja“, jubelte sie und übersah geflissentlich mein diabolisches Grinsen endlich die 25 Kronen aus dem Weg geräumt zu haben.

Mit manchen Gegnern hat man es eben leicht.
Schnell noch ein bisschen Mittag mit viel Obst und dann ein kleines Mittagsschläfchen, bevor die Kaffezeit uns wieder an Deck lockt. Zuvor noch ein wenig Stress, da mein MP3 Player nicht aufzufinden war. Nach dem Kartendisaster schon wieder etwas verschwunden. Doch auch diesmal ging es glimpflich aus. Ich hatte ihn aus unerfindlichen Gründen in meinen Anzug zum Galabend gestopft, obwohl es völlig sinnlos war. „Deswegen konnte ich mich auch nicht daran erinnern.“; argumentierte ich vorsichtig.

Derselbe Platz, fast dieselbe Zeit, der Blick auf die wildromantische Natur, schreibe ich, was mich bewegt und was ich sehe und harre der Dinge, die da kommen.

Das Abendessen wird für mich ungewöhnlich kurz. Ich verabschiede mich schon bald, das ewige Gegesse hat mir auf den Magen geschlagen, ich fühl mich miserabel. Sylvia muss wieder allein ins Theater gehen, ich brauche meine Ruhe und döse vor mich hin. Irgendetwas rührt in mir rum und ich beschließe morgen vorsichtiger zu sein. Wir schlafen früh ein, es macht schneller klack als ich vermute.

5. Tag – Bergen

Guten Morgen Marlowe, guten Morgen Milowe, Nicki lass ich auf, die ist 16 und hat Ferien, da ist sieben Uhr noch zu früh, guten Morgen Christa, guten Morgen Syl… aha sie ist schon aufgestanden und geduscht unsere Tour beginnt in einer Stunde, Zeit zum Duschen, frühstücken und für die Tour fertig zu machen. Obwohl es verboten ist Getränke von Bord zu nehmen, da man gerne selbst 0,35 l für 2,75 € verkaufen möchte, packen wir unsere Flasche Wasser aus dem Getränkepaket ein. Schließlich haben wir es schon bezahlt.

Bus Nummer 7 fährt uns mit einem Troll durch Bergen zur Seilbahn. Der Troll ist unser Reiseleiter, der durch eine dreigeteilte, knollige Nase auffällt, für die er sicherlich nicht kann, aber ich habe Urlaub und muss nicht noch mein Sensibelchen herauskehren, zumal ich es nur denke. Immerhin ist der Troll alt und freundlich kann gut Deutsch und unterhält uns aufs Beste. So erfahre ich viel über die Hansezeit von Bergen, was mich natürlich aufgrund meiner Mittelalterfilmerei besonders interessiert. Bis zu 1000 deutsche Männer, und zwar nur Männer waren hier in hölzernen Behausungen, wo kein Feuer gemacht werden durfte. Man schlief zu dritt in einem Bett wegen der Wärme. Wenn ein Deutscher mit einer Norwegerin ein Kind zeugte, musste er zur „Strafe“ 100 Liter Bier spendieren. Nach Meinung der Zeitgenossen kam dies zu wenig vor. Verständlich im Winter und bei drei Männern im Bett. Der Troll zeigte uns die engen Gassen und die nachgebauten Holzhäuser, man bekommt nur eine dunkle Ahnung von den Verhältnissen, es fehlt der Dreck und der Gestank, wurde doch hauptsächlich mit Fisch gehandelt. Fließend Wasser und Toiletten waren immerhin bis 1950 in der Mitte der Stadt unbekannt.

Wir besuchen ein Museum, dessen Inhalt wir uns durch die Scheiben begucken können. Die Gesichter plattgedrückt, die Hände abschirmend über den Augen verfolgen einige den Ausführungen unseres Trolls, der sich alle Mühe gibt, dem Museum faktisch von außen eine Führung zu geben. Das spart Eintritt, den wir hoffentlich nicht schon bezahlt haben. Dann bewegen wir uns durch geschichtsträchtiges Gelände zur Bergbahn, in der wir geduldig warten und heringshaft gehen wir artig im Takt der fahrenden Bahnen, bis wir eintreten dürfen. Ich versuche im Waggon zu fotografieren, kann mich aber kaum drehen, habe die Linse voller Köpfe und lasse das Unterfangen entnervt sein. Oben auf dem Berge gibt es vor lauter Menschen kaum ein Kamerafenster, trotzdem gelingt mir ein Panoramafoto, wo ich zu Hause erst mal die 10 oder 20 Menschen retuschieren muss. Trotzdem ist die Aussicht atemberaubend. Bergen liegt zu unseren Füßen und offenbart mit Hilfe der Ausführungen unseres Trolls ein paar Geheimnisse mehr. Interessant ist die Geschichte vom Schiff, dass in die Luft gesprungen ist. Gemeint ist natürlich ein gesprengtes Schiff nach dem II. Weltkrieg, dass fast eine halbe Insel zerstörte. Es war ein Unfall, so sagt man heute. Kaum haben wir die Schönheit des Ausblicks begriffen, marschiert der Troll zur Seilbahn, die uns nach unten führt.

Noch bevor wir Luft holen können, sitzen wir schon wieder im Bus und besuchen eine Stavkirche aus dem 10 Jahrhundert, die sich allerdings bei genauerem Hinhören als Replik aus dem 20. Jahrhundert erwies, weil irgendein Satanist glaubte sie anzünden zu müssen. Trotzdem wurde sie Originalgetreu wiederaufgebaut. Wir warten geduldig fast 30 Minuten, ehe wir auf das Gelände und in die Enge Kirche eingelassen werden. Mehr als die erlaubten 60 Mann passen auch gar nicht rein, wir sind 45 und drängen uns schon

ein bisschen zusammen. Stav bedeutet Stamm und tatsächlich ist die Kirche auf vier mächtigen Stämmen erbaut und im Inneren stützen auch Stämme, die mit Wurzelholzbögen verbunden sind, die gesamte Konstruktion. Leprakranke, und die gab es viel in Norwegen und Island (der letzte starb 1955 in Bergen), hatten außerhalb um die Kirche einen Gang und konnten durch ein winziges Fenster den Worten des Pfarrers lauschen. Die Kirche hatte ebenfalls ein Holzdach in deren Mitte ein Turm saß. Freilich war selbst die abgebrannte Vorgängerin nicht original, sondern eigens hierher versetzt worden, da die Besitzergemeinde die Stavkirche abreißen wollte. Der Turm war dort nach Originalfotos noch außen. Aber da die meisten Stavkirchen einen Turm in der Mittehatten, ließ der ausführende Architekt den Umbau vollziehen und zerstörte damit die Einmaligkeit gerade dieser Kirche. Künstlerische Freiheit, Historizität oder kultureller Vandalismus, immerhin hat er dazu beigetragen eine der noch vorhandenen 30 Exemplare das Leben zu retten und uns Costa Urlaubern einen Schnelldurchlauf zu ermöglichen. Immerhin habe ich mehr Bilder gemacht, als ich gucken konnte.

Die Rücktour verlief ohne große Überraschung. Wir hielten am Schiff und konnten uns über die weitere Vorgehensweise erst mal nicht einigen. Ich wär gern in der Stadt geblieben, Sylvi wollte im Restaurant essen. Ich hatte keinen Bock auf die Wartezeiten im Restaurant, was sie als gemütlich bezeichnete, sie hatte keine Lust auf die Selbstbedienung, weil ihr das Schweineesssen nicht gefiel. Nach einem kurzen Disput, gemeinhin auch als leichten Ehekrach bezeichneten Wortwechsel einigten wir uns auf das Schnellrestaurant mit individueller Ecke und anschließendem Landgang zum berühmten Fischmarkt.

Eine knappe Dreiviertelstunde später ging es durch die Bergener alten Festung Richtung Altstadt. Wir besuchten einige Souvenirshops und hielten bei den Preisen für norwegische Pullover den Atem an. 150,-  € war die Kategorie Ausverkauf. Der Fischmarkt war bombastisch, Walfleisch, Krabben in allen Größen und Formen, Brötchen ab 6,- €, Mittag, Bratfisch mit Pommes 20,- €. Wir kosteten Walfleisch, das eine sehr dunkle Farbe hatte und für uns nach nichts schmeckte, nicht mal nach Fisch. Endlich rangen wir uns durch Kaviar zu kaufen; 6 kleine Gläser mit rotem, schwarzem und weißem Kaviar für 40,- €, wobei wir den weißen Kaviar erst mal kosteten, er hatte nicht den bekannten Salzgeschmack war also milder und ganz im Sinne meiner Frau. Der Hafen war voll von Schiffen und Menschen und wuselte mit einer Geschäftigkeit um uns her, die etwas nervös machte. Bergen Platz aus allen Nähten, die Häuser kriechen die Berge hoch immer auf der Suche nach neuen Plätzen. Es wird eng in den Bergen und den Wäldern. Den Bäumen geht die Luft aus.

Wieder an Bord verzichten wir entgegen unserer Angewohnheit auf den Mittagsschlaf, genehmigen uns zwei Drinks für 15,99€, setzen uns die Kopfhörer auf. Bei mittelalterlicher Musik sitze ich an meiner Reisebeschreibung und lutsche den Drink aus Rum, Wodka, Lemmon, Ice Tea genüsslich in mich herein.

Und schon wieder ist Abendbrotzeit, das lange Sitzen an fremden Tischen mit Menschen, die uns einmal begegnen und dann nie wieder. Man spricht unverbindlich miteinander, ist höflich und dann ist die Reise zu Ende, ohne dass man weiter sich umeinander kümmert. So ist das Leben halt. Ich mag zwar Konversation, aber manchmal möchte ich auch gern für mich alleine sein, Sylvia hingegen liebt die Geselligkeit und mag diese Abende sehr. Der Abend geht zwar zur Neige und wir entschließen uns noch zu einem Bummel und einem Remy Martin. So sitzen wir noch eine Zeit an einer Bar nach dem Abendbrot und ich beobachte die wuselnden Kellner. Es scheint wie in einem Ameisenhaufen. 8 Kellner in blauen Jäckchen schütteln, rühren und mixen, sprinten zur Bar, geben die Quittungszettel und obwohl es im ersten Moment aussieht, als sei das reinste Chaos ausgebrochen, scheint sich nach einer Weile eine gewisse Struktur herauszustellen. Die Müdigkeit kommt heute erst spät und stellt sich gegen 23:00 Uhr ein. Im Bett wälze ich mich noch ein Weilchen, Gute Nacht Marlowe, Gute Nacht Milow, Gute Nacht Nicki, Gute Nacht Christa, Gute Nacht Sylvi und Klack, aber irgendwie klackt es erst eine ganze Weile später. Ich denke an dies und das und stelle mich auf langes Wach sein ein… Doch schon klopft Morpheus an meiner Tür.

6. Tag – Stavanger

Der Morgen und das Aufstehen kommen früh. Für meine Begriffe zu früh, ich bin wohl doch zu spät eingeschlafen. Trotzdem lasse ich die übliche Prozedur an mir ablaufen, Duschen, Rasieren, Zähne putzen, anziehen, warten auf Sylvia, das sie endlich fertig wird. Nach dem Frühstück befinden wir uns mit vielen andren Ausflüglern auf einem Katamaran und mit 28 Knoten geht es ab in die Fjorde. Was uns dort erwartet fordert alle Sine heraus. Schroffe, steil abfallende Felsen im Lysjefjord, der seinen Namen von dem hellen Gestein hat (Lysje=hell/Licht). Das Schiff hält an jeder Attraktion ein paar Minuten an und kommt Wasserfällen so nahe, das man die Gischt auf dem Gesicht spürt sofern man einen Platz vorne ergattert hat. An einem Felsvorsprung mit Rasen überzogen weiden 3 Ziegen. Der Katamaran fährt nahe heran und lässt die Landungsbrücke herunter. Ein Crewmitglied und ein kleiner Junge füttern die Ziegen mit Brot unter Beifall der Menge. Plötzlich springt der Ziegenbock, ein stattlicher Kerl mit riesigen Hörner kurzerhand an Bord und läuft auf die Menschen zu. Panik. Gekreische. Ich springe dazwischen und packe den Bock zusammen mit dem Crewmitglied bei den Hörnern. Der Bock ist ganz lieb, lässt sich streicheln und auch dirigieren. Er würde zu gern weiter aufs Schiff, doch wir verhindern dies, wenn auch mit ein wenig Kraftaufwand. Das Schiff ein bisschen zurückgedrängt muss neu ausmanövrieren und wir können den Ziegenbock mit gemeinsamen ziehen und schieben wieder an Land hieven. Ich rieche bis zum Schluss nach Ziegenbock, grinse aber zufrieden über das Erlebnis, was Sylvia genüsslich filmte. Der Himmel ist überzogen von Regenwolken, durch die hier und da das Licht wie riesige Scheinwerfer bricht. Das ergibt für die Kamera grandiose Landschafts- und Stimmungsfotos. Wir fahren vorbei an einsamen Landschaften, wo doch hin und wieder ein Bauernhof oder ein Haus stehen und man sich unwillkürlich fragt, wie haben die das Material herbekommen, die Scheiben auf den Berg geschleppt und warum gerade diese Gegend, wo oft meilenweit gar nichts ist. Wir fahren vorbei an der Kanzel, passieren mit von schöner Musik einen Felseinschnitt und hören uns die Geschichten um Liebe, Leid und Leidenschaft an, die der Kapitän uns nahebringt und Landschaft mit Leben verknüpft. Uns dauert noch der arme Heinrich, der, weil er Alkohol verbotenerweise braute, seine Sikke verlassen musste, in sein Heimatland ausgewiesen wurde und die Arme bis zu ihrem Tode in den weitläufigen Felsen wartete, doch schon sind wir wieder im Hafen zurück. Der Fotoapparat hat viele Bilder für uns in seinen Speicher gebrannt und zu Hause begeben wir uns dann noch auf die Fahrt zu Sikke, um ihr späte Referenz zu erweisen. Schöne neue Welt.

Ich habe Sylvia versprochen Mittagessen im Restaurant einzunehmen und halte es auch, sehr zu meinem Bedauern, denn wir werden an einer ungünstigen Stelle platziert und außerdem sind unsere Tischnachbarn Italiener. Ich verstehe nicht was sie sprechen, doch gibt es wohl einen Generationskonflikt zwischen Mutter und sonnenbrillentragender Tochter. Der Vater mischt sich nicht ein, will mit uns sprechen, was jedoch an seinem mangelnden Englisch, eigentlich ist es gar nicht vorhanden, scheitert. Wir tauschen ein paar Städtenamen aus  und beenden die Konversation.

Bis auf das ich mein Mittag doppelt bekomme passiert nichts weiter und wir können uns danach zur gewohnten Mittagsruhe begeben.

Im Theater erwartet uns um 16:00 Uhr eine Informationsveranstaltung über das Schiff und seine Crew. Es ist fast unheimlich wie diese riesige Stadt funktioniert, was alles im Verborgenen abläuft. 8-9 Monate bleibt das Bordpersonal an Bord, arbeitet sieben Tage die Woche, ohne freien Tag und Urlaub. Jeden Tag Wäschewaschen, Zwiebel schneiden, Betten machen, Jobs, die kein Harz vier Empfänger freiwillig machen wollte. Die Deutschen sind ein faules, bequemes Volk geworden haben nichts von dem Willen der Asiaten. Das ist Fluch und Segen zugleich. Natürlich kann man mir sofort die Kreuzfahrt entgegenhalten, nur in dem Alter des Personals (zu mindestens einiger von ihnen) habe ich in der Halberstädter Würstchenbude auch stupide Arbeiten verrichtet und immerhin zwei Berufe erlernt, bevor ich das gute Geld unseres verkorksten Bildungssystem einstreichen durfte. Ich bin gerne Lehrer, das sei unbedingt betont, aber das Bildungssystem ist trotzdem marode und degradiert zum bloßen beherbergen von mehr oder weniger willenlosen Schülern. Bildung geschieht doch längst woanders.  Ich reiße mich aus meinen missmutigen Gedanken raus, ich habe Urlaub. Wir gehen zum Kaffee und finden unseren gewohnt ruhigen Platz, wo ich in aller Ruhe meinen Reisebericht schreiben kann, bis zum Abendbrot. An uns vorbei zieht die Küste Norwegens, wir sind auf der Reise zum 320 Seemeilen entfernten Oslo, der letzten Station unserer Reise. Wie es wohl Marlowe und Milow geht??

Nach dem Abendbrot mit gewohntem Smalltalk widmen wir uns noch einmal der Einkaufspassage. Ich finde wie auf jedem Schiff wieder eine Uhr, diesmal von Fossil. Die wollte ich schon immer und unbedingt haben. Nach kurzer Diskussion um das Design mit Sylvia wähle ich eine besonders schöne mit blauem Ziffernblatt, weißen Zeigern und schwarzen Metallarmband aus. Der Preis ist moderat und annehmbar und ich bin glücklich. Auf das Abendprogramm, einem Konzert, verzichten wir, nicht aber auf zwei Glennfiddich und zwei Remy Martin, das gibt die nötige Bettschwere. Gute Nacht Marl…, das war ein Whiskey zu viel, es macht klack.

7. Tag Oslo

Regenschwer hängen die Wolken über die Ostsee und Tropfen bilden immer wieder neue kleine Wellenringe, unendlich viele hier im Hafen von Oslo. Uns schmeckt das Frühstück trotz des Regens, es ist der letzte Tag unserer Reise, morgen wird in Warnemünde ausgeschifft. Dann geht es nach Hause, die entstandenen Schäden unserer Katzen zu begutachten, eventuell die Asche wegräumen, manchmal hat man schon komische Gedanken. geht alles gut. Ich vertraue Nicki unserer Katzenmama Nummer eins, obwohl ein Lehrer keinem Schüler seiner Schule vertrauen sollte, das ist ein ehernes Gesetz. Aber sie ist in der Mittelaltertruppe, mit der ich arbeite meine Hauptdarstellerin und eigentlich etwas ganz besonderes. Sie hat mich und uns noch nie enttäuscht, die Eltern kenne ich und eigentlich ist sie eine ganz liebe, fast schon zu lieb, was wiederrum misstrauisch macht. Selbst Sylvia hat sie in Herz geschlossen, was an sich schon ein Wunder ist. Christa, 76 Jahre, ist eine Witwe mit einem bewegten Leben, die schon Jahre auf unsere Tiere achtgibt. Ihr Herz macht manchmal Probleme und dann muss der Notarzt kommen, darum schaltete ich Nicki ein. Naja, man macht sich so seine Gedanken und ich gehöre zur Kategorie, „äußerst sensibel“.

Heute leistet ich mir zwei Eier, obwohl ich das mehr oder weniger schon die ganze Woche tue, da es Rührei, Omelette und weitere Eiereien gibt, denen ich kaum oder gar nicht widerstehen kann.

Unsere Tour wurde aus Mangel an Beteiligung abgesagt, sodass wir beschlossen haben zu Fuß die Stadt zu erkunden. Das Schiff ist so riesig, dass wir die uns gegenüberliegende Burg gut einsehen können und auf einen Besuch verzichten. Es wird reichlich fotografiert und schon haben wir die erste Exkursion hinter uns, ohne uns groß zu bewegen. It’s great. Oslo ist eine moderne Stadt, sodass die wenigen Sehenswürdigkeiten schnell umlaufen sind. beeindruckend ist das riesige Rathaus, besonders bemerkenswert die alte riesige in Gold gehaltene Uhr. Überall begegnen uns Denkmäler von Persönlichkeiten, Politiker, Dichter, Komponisten, Ibsen gehört noch zu den für Deutsche bekanntesten. Wir besuchen den Königspalast und seinen Park und freuen uns die Wachen in Bewegung zu sehen. Ich ernte böse Blicke von Sylvia, als ich den heiligen Park entweihe, wenn es aber keine Toilette gibt!

Schon bald haben wir unseren kleinen Stadtplan abgelaufen und befinden uns anderthalb Stunden später wieder im Hafen, bewundern die Segelschiffe, die auch für Passagiere bereitstehen. Unsere Costa Fortuna überragt bei weitem alles. Ich habe sie inzwischen von jeder Seite fotografiert, selbst im Inneren wurden die meisten Winkel abgelichtet. Bis jetzt habe ich 1200 Bilder geschossen. Nur die wenigsten werden für eine Diashow in Betracht kommen. Diesmal habe ich aber sehr viel Wert daraufgelegt, mal aus anderen Blickwinkeln zu fotografieren und nicht nur zu knipsen. Unsere Bilder, die ein Fotograf von Sylvia und mir schoss, waren derart gestellt, dass man sich schon fast schämen musste. Dies dusselige Kopf an Kopf lehnen, die Füße unnatürlich gedreht, die Hände seltsam übereinander gelegt wurde ein komisches Parr fotografiert, das mit uns nichts zu tun hat. Wenn man Menschen fotografiert sollte man ihre Seele ablichten und nicht nur Hochglanzfotos herstellen, wo noch der halbe Anzug aufgrund der seltsamen Posen geknittert ist. Die Bilder, sieben Stück, hervorragend belichtet, waren ihre 29,99 € nicht mal annähernd wert, hätte man das Geld dazugegeben, könnte man sie als Anschauung für schlechte Fotografie verwenden. Ich will nicht anmaßend sein, aber Sylvia und ich waren uns einig, ein bisschen besser können wir schon.

Auf dem Deck der Fortuna gehen wir auf Menschenjagd. Ich versuche ungewöhnliche Menschen in ungewöhnliche Posen zu fotografieren, da ist die hübsche Schwarze in einer Reihe mit Möwen, das ist der Glatzige, den ich von oben fotografiere, da ist der Jugendliche, in Decken auf der Liege eingewickelt, obwohl die Sonne hervorkriecht. Da ist der Pfeife rauchende Mann, ganz nachdenklich, die Dicke alte Frau, die so allein auf einer Bank sitzt, da ist der kleine Junge, der den ganzen Pool für sich allein besitzt, der Page, der mit den Decken der Gäste kämpft, da sind so viele Einzelheiten, so viele Geschichten, von denen ich einen Bruchteil der Sekunde einfange. In der Diashow wird sie nur für diesen Bruchteil zu sehen sein und fast gesichtslos wieder in ihrer Geschichte und in ihrem Leben verschwinden. Was wissen wir schon, was weiß ich schon!?

Irgendwann ruft das Mittagessen, ich brauche nicht ins Restaurant, sondern kann an der Theke wählen. Sylvia schmeckt es nicht, heute ist selbst mir das Fleisch zu trocken, uns entschädigt das Eis und ein große Portion Garnelen, für mich gibt es noch Miesmuschel und Tintenfischbabies. Lecker. Sylvia verzieht das Gesicht und bestellt ein zweites Glas Wein. Nach dem Mittagsschlaf beschäftigen wir uns schon mit dem Abschied von der Costa. Im Theater wird uns eine Einweisung für den Ablauf der Ausschiffung gegeben. Für uns eigentlich nichts Neues. Wir sind schon fast zu Hause. Marlowe, Milow wir kommen. Doch noch sind wir auf Fahrt, die See wird leicht stürmig, das Schiff schwankt, was uns kaum stört. Ich sitze und schreibe in einem bequemen Sessel, Sylvia hat sich auf der Couch gemütlich gemacht und lauscht ihrem MP3 Player, der Saal vor uns ist mäßig gefüllt. Noch ist Urlaub in uns.

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