Es ist mehr oder weniger bekannt, dass ich in meiner Freizeit viel fotografiere. Für meine Lexika sind das Gebäude, Straßen, Kunstwerke usw., für meinen Verein mittelalterliche Orte, Theaterstücke, unseren Salzwinkel. Niemand stört sich daran, manche interessiert es, manche nicht, so ist das Leben in seiner Vielfältigkeit. Aber auch die Modelfotografie hat es mir angetan und ich habe mich da schon durch einige Sujets fotografiert, ob Porträt, Mode oder sogar Dessous- und Aktfotografie. Letzteres ist zwar nicht jedem bekannt, aber es gehört bei diesem Thema der Aufschrei: „Was Akt?“ wohl immer dazu. Kaum einer, ich glaube aber eher keiner von meinen Kollegen hat je „solche“ Bilder gesehen und ich weiß sehr wohl, warum das auch in Zukunft nicht sein wird. Für die einen ist es moralisch nicht sauber, die anderen wollen mit so komischen Sachen nichts zu tun haben und manche Frauen denken wohl an Sodom und Gomorrha, andere fühlen sich bei dem Gedanken nicht wohl und schlimmer noch, einfach nur angebaggert. Es ist halt ein delikates Thema. Das diese Art von Fotografie seine Schattenseiten hat, ist unbestreitbar und das meine Figur zusammen mit nackten Frauen seltsame Assoziationen weckt, damit muss ich leben.
Mit Sinnlichkeit oder Erotik hat das alles hinter der Kamera eigentlich gar nichts zu tun. Man kann versuchen das glaubhaft zu versichern. Es bringt aber nichts, weil sich sowas niemand vorstellen kann. Männer rollen mit den Augen, weil sie „wissen“, was da läuft. Frauen rollen mit den Augen, weil sie glauben, was da läuft. Es „rollen“ eigentlich nur Körperflüssigkeiten – nämlich in Form vonSchweiß, vom Scheinwerfer oder dem ständigen Umstellen des Lichtes. Von den Bildern wird keiner etwas im Internet finden, weil ich erstens Verträge habe, zweitens die Models bestimmen, was ich zeigen kann. Außerdem bin ich noch dazu Lehrer, da ist so etwas fehl am Platz, eben wegen vieler Kollegen, die mehr Fantasie als ich haben oder Schülern, die dies sehen könnten. Das wäre noch fataler. Also bleiben die Bilder Privat oder wandern in Ausstellungen weitab von Halle, wo ich so manchen Preis abfasste. Selbst bei harmlosen Dessousfotos bin ich vorsichtig geworden. Ich bin es leid immer wieder dasselbe dumme Gequatsche oder die dieselben blöden Witze zu hören.
Manchmal bleibt mir aber bei einigen Absurditäten der Mund einfach nur offen stehen. So hatte ich mit einer Kollegin mal einige Wochen lang Aufsicht. Wir haben auch ein wenig geschwatzt und ich sprach über meine Hobbys, die halt vielfältig sind, unter anderem auch über die Fotografie. Ich zeigte ihr normale Modelbilder (also für mich waren sie normal) und sie zeigte sich interessiert an dem Thema. Als Model kam sie mir nicht mal annähernd in den Sinn, nicht weil sie nicht hübsch war (eigentlich weiß ich nicht so recht, was das heißt), sondern weil ich keine Frauen auf der Straße und erst recht nicht auf der Arbeit anquatsche. Geht gar nicht! Es war also nur ein Gespräch, um die Zeit totzuschlagen. Bald darauf übernahm sie eine andere Pausenaufsicht. Ich vergaß unsere Gespräche, selbst der Name war mir nicht mehr geläufig, da wir uns so gut wie gar nicht über den Weg liefen.
Ein paar Monate später waren die Kollegen auf Weiterbildung. Dort bekam ich den Auftrag alle Kollegen zu fotografieren für eine Übersichtsseite im Lehrerzimmer. Ich zeigte natürlich vorher jedem ein Bild, um eine Vorstellung vom Endergebnis zu geben. Eine Kollegin fehlte mir irgendwann noch. Ich entdeckte sie, ging auf sie zu und sagte: „Ich zeige dir ein Bild, damit du sehen kannst, wie es im Endeffekt aussehen soll.“ Sie erstarrte und zeigte sich zutiefst bestürzt. Ich war verwirrt, hatte ich etwas Falsches gesagt? Plötzlich löste sie sich aus ihrer Erstarrung, holte tief Luft und rief verzweifelt: „Aber bitte kein Aktbild!!!“
Ich war völlig konsterniert oder im falschen Film. Was war das denn? Jetzt wurde mir auch bewusst, dass es eben jene Kollegin war, mit der ich die Pausenaufsicht vor Monaten zusammen machte. Schlagartig wurde mir klar, was da wohl im Kollegium rumgegangen sein musste. Ich war fassungslos. Ich fand kaum Worte, sagte etwas von Porträtfotografie und Auftrag, machte mein Foto und sprach nie wieder ein Wort mit mir. Wofür hielt sie mich denn? Ich nahm mir vor nie wieder mit jemanden, der keine Ahnung hatte über dieses Thema „Aktfotografie“ auch nur annähernd zu schwatzen.
Ich mache auch Modelfotografie, mehr muss niemand wissen. Man kann über alles reden, über Krieg, Mord und Totschlag, Frauen, eklige Witze erzählen, aber die Aktfotografie ist immer noch die höchste Unmoral. Welch seltsame Welt.